Wegwerfen oder reparieren?

Manuela, geboren in den 60ern, da hat man es meistens von den Eltern gelernt, man wirft nicht gleich etwas weg nur weil es beschädigt ist oder nicht mehr so schön. Stichwort „Schlechte Zeiten“, die Worte kennt meine Generation noch von früher.

Worum geht es denn eigentlich? Manuela hat ein paar neue Sachen gekauft. Ein paar offene „Gesundheitsschuhe“ bei Lidl, für Damen und Herren, Größe 44, 5€ im Sonderangebot. Und eine bequeme Hose mit Hahnentrittmuster, Größe 2 XL steht drin, passt optimal, superbequem. Die weiße Bluse hängt schon ewig im Schrank, vielleicht noch nie angehabt. Da es Freitag ist, einiges im Haushalt zu tun ist und das traditionelle Abendessen gekocht werden soll, muss ein Kittel im Schrank gefunden werden. Wegen der gemusterten Hose soll es Uni sein, nicht weiß wegen der Bluse. Hellblau, genau, der sieht doch schön aus. 100% Nylon, passt optimal. Aber der oberste Knopf fehlt…

Drama im Alltag eines Crossdressers? Muss man das wegwerfen? Nein, Knopf annähen ist nach einer Woche anstrengender Büroarbeit eher Entspannung. In der Schachtel mit der Knopfsammlung gewühlt, da ist er, passt genau. Welches Garn? Wie sind denn die anderen Knöpfe? Einmal original in dunkelblau, zweimal weiß. Na toll, welche Hausfrau war das denn? Nicht schön genäht. Also dunkelblau, Knopf angenäht, die zwei mit dem weißen Garn kann man ja später mal nachnähen.

Kittel anprobiert, neuen Knopf zugema…, verflixt, warum geht denn der nicht zu? Weil die Hausfrau nicht nur stümperhaft genäht hat, sondern den obersten Knopf gar nicht wollte, und deshalb das Knopfloch zugenäht hat. Na super, sieht aber doof aus, nicht mein Stil. Also vorsichtig aufgetrennt, Knopf passt durch, aber Knopfloch ist jetzt total ausgefranst.

Doch ein Drama im Alltag eines Crossdressers? Nein, aber nervt schon etwas. Hellblaues Garn gesucht, Knopfloch schön nachgearbeitet damit nichts einreißt. Zwischendurch der Partnerin begegnet, kurzer Blick von oben nach unten, „Der Kittel zu der Hose…“. Ja, ok, als der blaue Kittel noch nicht einsatzbereit war kam eben einer in lila Dederon mit schwarzen Blumen aus dem Schrank. Ok, ich gebe es ja zu, passt nicht, schon schlimmeres gesehen, aber passt wirklich nicht.

Jetzt noch schnell das Bügeleisen an und den hellblauen Kittel gebügelt, dabei kopfschüttelnd das weiße Garn angeschaut, kein Drama, aber auch keine Freude. Nochmal das dunkelblaue Garn geholt und die beiden Knöpfe neu angenäht. Jetzt gefällt er mir, ist auch ein schönes Stück, von Fabenyl, also was Gutes.

Falls meine Partnerin diesen Artikel liest wird sie wieder schmunzeln, ihren Crossdresser mal wieder ein bisschen durchgeknallt finden. Nylonkittel, Kittel bügeln, lange Artikel über Knöpfe schreiben. Sie sagt dass sie sich dran gewöhnt hat. Dafür rauche ich nicht, treibe mich nicht nächtelang in Kneipen rum, spiele nicht und helfe im Haushalt. So klappt es eben irgendwie, im Alltag eines Crossdressers.

Nochmal zum Thema, wir kaufen beide viel auf Flohmärkten. Nicht nur weil es da viele Retro-Teile gibt, nicht nur weil es viel preiswerter ist. Sondern auch weil man nicht alles wegwerfen muss, worüber sich andere vielleicht noch freuen. Weniger wegwerfen ist weniger Müll, weniger Energie für neue Produktion, weniger ausgebeutete Menschen in den Schwellenländern die das Zeug produzieren müssen, weniger Verkehr auf der Straße weil man nichts mehr lokal produziert sondern alles globalisiert ist.

Das waren sie mal wieder, nach langer Zeit, die Gedanken aus dem Alltag eines Crossdressers, banal, alltäglich und ein bisschen nachdenklich.