Die Schule – Teil 2 – Das Vorgespräch

Die Woche war recht schnell vergangen, Ursula Lehmann hatte reichlich zu tun gehabt. Den Samstag Vormittag hatte sie mit Einkäufen und Haushalt zugebracht, in der Woche hatte sie dafür keine Zeit, und Michael war erwartungsgemäß keinerlei Hilfe. Weder zu Einkäufen noch zu Hilfe im Haushalt war er zu bewegen. Nach dem Mittagessen erledigte sie noch schnell den Abwasch bevor sie sich im Schlafzimmer umzog, sie wollte pünktlich in der Schule sein und einen guten Eindruck hinterlassen. Sie zog eine dunkelrote Bluse und ein graues Kostüm an, schminkte sich sorgfältig aber dezent und machte sich dann auf den Weg zur Bushaltestelle. Sie musste nicht umsteigen, die Schule lag an der Route der Buslinie 21, die Haltestelle lag direkt vor dem Eingang der Schule.

Ein sehr altes Gebäude das wohl noch vor dem 2. Weltkrieg erbaut wurde, ein großer Garten der von einer Mauer umgeben war. Zur Straße hin ein großes schmiedeeisernes Tor dass den Blick auf einen Plattenweg freigab der an der Treppe zum Eingang endete. Ursula war sehr aufgeregt, sie wollte nichts falsch machen und hoffte so sehr dass sich vielleicht doch eine Chance ergeben würde, dass ihr Sohn Michael vielleicht doch die Möglichkeit bekam, so wie es damals bei Daniela war, der Tochter ihrer besten Freundin Karin.

Das Tor machte beim öffnen ein leises Geräusch, Ursula begannen bekam ein wenig weiche Knie als sie den langen Weg Richtung Treppe ging, irgendwie hatte sie das Gefühl dass heute etwas Wichtiges passieren würde, und das brachte sie ein wenig durcheinander. Am Ende des Weges angekommen stieg sie die 5 Stufen hoch und klingelte, ein leiser wohlklingender Gong war aus dem Inneren des Hauses zu hören. Ursula hörte Schritte, dann öffnete sich die Tür. Eine Frau, Anfang 50, auffallend groß und schlank öffnete die Tür. „Frau Lehmann? Sie werden erwartet!“ sagte die Frau, ohne dass Ursula sich vorstellen musste. Die Frau trug einen dunkelgrauen Rock, eine weiße Bluse die vollständig zugeknöpft war und einen langen schwarzen Nylonkittel der sorgfältig gebügelt war und perfekt passte. Die schwarzen Pumps und schwarzen Nylonstrümpfe rundeten das Bild einer perfekt gekleideten Dame ab, so wie man sie in einer Hauswirtschaftsschule erwarten würde.

Die Frau stellte sich als Rebecca Hartmann vor, sie sei eine der Assistentinnen der Direktorin. Frau Hartmann ging voran, Ursula folgte ihr durch mehrere langen Gänge bis sie schließlich zu einer Tür mit der Aufschrift „Manuela von Hohenstein – Direktorin“ kam. Frau Hartmann klopfte, eine feste Stimme rief „Ja bitte“, Frau Hartmann öffnete die Tür zu einem Vorzimmer das durch eine weitere Tür zu einem großen Büro getrennt war. Diese Tür stand offen, das Vorzimmer war am Samstag offensichtlich nicht besetzt. Ursula ging etwas zurückhalten in das Vorzimmer und dann in das Büro der Direktorin. Manuela von Hohenstein war eine Frau von Mitte 50, mittelgroß, schlank und von elegantem Aussehen. Ihr schwarzer Rock war aus einem edlen Stoff der leicht gemustert war, ihre weiße Bluse saß perfekt. Frau von Hohenstein hatte schulterlange Haare, sie war perfekt geschminkt, ihr Gesicht hatte eine freundliche und doch auch in gewisser Weise strenge Ausstrahlung. Sie lächelte und begrüßte Ursula Lehmann auf eine sehr freundliche Art, die beiden Frauen setzten sich in zwei Sessel die am Fenster rechts und links von einem kleinen dunklen Tisch standen.

Die Direktorin bat Frau Hartmann ihnen zwei Tassen Kaffee zu bringen, dann ergriff sie direkt das Wort. Sie erzählte dass Frau Wiegand sie angerufen und von der verzweifelten Situation mit dem Sohn von Ursula Lehmann erzählt hatte. Manuela von Hohenstein hatte sich die Geschichte angehört, selbstverständlich konnte sie sich an Daniela Wiegand erinnern, sie kannte alle ihre Schülerinnen und hatte noch nie einen ihrer Namen vergessen, auch nach vielen Jahren nicht. Die Direktorin begann zu erzählen wie ihre Schule funktioniert und warum sie so erfolgreich bei der Erziehung junger Mädchen war, besonders bei solchen Mädchen die als schwer erziehbar galten.

Respekt, Disziplin und insbesondere angemessene Bestrafungen seien die Schlüsselbegriffe jeder Erziehung, das war die kurze Zusammenfassung der Werte die Manuela von Hohenstein für besonders wichtig hielt. Die jungen Menschen bekämen keine Grenzen mehr aufgezeigt, im Grunde würden sie nicht mehr erzogen sondern nur noch betreut oder versorgt, mehr nicht. Was aber ganz besonders fehlen würde sei eine angemessene Bestrafung. Nach ihrer Überzeugung würde ohne Bestrafung keine Erziehung funktionieren, schließlich würden die meisten Autofahrer nur deshalb langsamer fahren weil sie, sofern sie erwischt würden, eine angemessene Strafe bekämen. Somit müsse man dafür sorgen dass die jungen Menschen mit großer Wahrscheinlichkeit bei allen Vergehen erwischt würden, und dass sie eine angemessene Strafe bekämen.

Ursula Lehmann trank von dem Kaffee den Frau Hartmann mittlerweile gebracht hatte, sie hörte andächtig und zustimmend zu. Auf die Frage wann denn der Michael das letzte Mal eine ordentliche Strafe bekommen hätte konnte Ursula nicht spontan antworten. Es sei wohl schon ein paar Jahre her, und er würde sich ohnehin nichts mehr gefallen lassen. Genau hier hakte Frau von Hohenstein ein, nach ihrer Überzeugung wären die Strafen mittlerweile nicht mehr als Erziehungsmittel geeignet, sie wären einfach nicht schmerzhaft genug um eine Wirkung zu erzielen. Außerdem würde es bei der Bestrafung an der notwendigen Konsequenz fehlen, die meisten Vergehen würden überhaupt nicht mehr bestraft, so könnten die jungen Leute davon ausgehen dass sie in der Regel ungeschoren davon kämen.

Während Ursula gerade einen Schluck Kaffee nehmen wollte hörte sie im Hintergrund, aber doch deutlich ein Mädchen weinen. Manuela von Hohenstein klärte sie darüber auf dass an den Wochenenden zwar kein Unterricht abgehalten würde, dafür aber die Bestrafung der schweren Vergehen stattfindet. Wie bereits erwähnt sei sie der Überzeugung dass eine wirksame Bestrafung in jedem Fall sehr schmerzhaft sein müsse, und dabei sei es völlig normal dass die Schülerinnen dabei mehr oder weniger heftig weinen würden. Ursula Lehmann war die Prügelstrafe nicht fremd, trotzdem war sie erstaunt dass so etwas noch praktiziert wurde, aber vielleicht war das ja gerade das Erfolgsrezept der Schule von Manuela von Hohenstein.

Die Direktorin kam nun zum entscheidenden Punkt. Sie würde eine reine Mädchenschule führen, und daran solle sich auch nichts ändern. Da sie aber von dem Schicksal von Ursula und ihrem Sohn Michael so berührt war habe sie sich überlegt dass sie ein Stück weit eine Ausnahme machen wolle. Sie wäre bereit den Michael in ihre Obhut zu nehmen, allerdings unter der Bedingung dass er in den kommenden zwei Jahren als Mädchen dort leben und lernen würde. Ursula war ziemlich erschrocken über diesen unerwarteten Vorschlag, sie fragte schließlich wie das denn funktionieren solle. Nun, er würde die gleiche Mädchenkleidung tragen wie alle anderen Schülerinnen auch, vielleicht würde er als Junge ein paar mehr und kräftigere Schläge bekommen, aber ansonsten wird er nach einer Weile nicht mehr in der Gruppe auffallen und dann als eines von vielen Mädchen am Unterricht teilnehmen.

Da Ursula sich ohnehin mit dem Scheitern der Erziehung abgefunden hatte begann sie schließlich sich mit dem Gedanken anzufreunden. Die Direktorin sprach nun ein paar Punkte an die zu klären seien, so brauche sie natürlich das Einverständnis von Ursula Lehmann dass sie die harten Erziehungsmethoden der Schule akzeptiere und sie den Michael unwiderruflich für zwei Jahre in die Obhut der Schule übergeben würde. Da der Schulabschluss für Michael ohnehin nicht zu erreichen war gab es für Ursula keinen Hinderungsgrund mehr, er können gut und gerne zwei Jahre dort untergebracht sein. Schließlich gefiel ihr auch der Gedanke dass sie für die nächsten Jahre endlich mal wieder in Frieden leben könne, ohne ständige Diskussionen mit Michael und seinen Lehrern. Das Schulgeld war auch in einem tragfähigen Rahmen, schließlich waren ja alle Lebenshaltungskosten abgedeckt die Ursula in den nächsten Jahren einsparen würde.

So unterschrieb sie schließlich das von der Schule vorbereitete Forumlar, Michael war damit offiziell in der Haushaltsschule aufgenommen. Frau von Hohenstein sprach noch das Thema an wie man den Michael denn nach Ende seiner derzeitigen Schule dort hinbekommen würde. Auf jeden Fall solle Frau Lehmann ihrem Sohn vorher nichts erzählen, sie würde rechtzeitig einen Anruf bekommen, irgendeine Idee hätte sie schon wie man den Michael in die Schule locken könne. Was den Namen anginge, er brauche natürlich einen Mädchennamen, die Direktorin sagte dass die Ausbildung doch unter einem guten Stern stehen würde wenn man ihm den Namen Daniela gäbe, bei der Tochter von Frau Wiegand hätte doch alles so prima geklappt.

Ursula Lehmann verabschiedete sich freundlich, mit gemischten Gefühlen aber doch voller Hoffnung fuhr sie nach Hause und wartete auf den Anruf der Schule.

Fortsetzung

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