Interview

Eine Mail mit dem Betreff „Interviewanfrage“ läuft Gefahr im Spam-Ordner zu verschwinden, zumindest wenn man nicht Dschungelkönigin oder Schlagersternchen ist.

Aber die Anfrage war sehr nett und sehr ernst gemeint, Simone Harland wollte ein Interview zum Thema Crossdressing veröffentlichen. Ich hatte vor einem Jahr auf ihrer Seite einen Bericht zum Thema Kittelschürze kommentiert, daran hat sie sich wohl erinnert. Der Entschluss an dem Interview teilzunehmen war schnell gefasst, was gibt es Schöneres als dass sich jemand von außerhalb der Szene dieses Themas annimmt und helfen möchte dass die Welt ein bisschen mehr über unsere Gedankenwelt erfährt? Nachdem ich ein knappes Dutzend Fragen zugeschickt bekam musste ich erst mal mächtig in mich gehen, auf viele banale Fragen findet man spontan überhaupt keine Antwort, was bedeutet Crossdressing für mich persönlich?

Aber die Mühe habe ich mir natürlich gemacht, ich habe versucht den Lesern zu zeigen dass Crossdressing ein ganz normales und sehr schönes Hobby sein kann. Natürlich geht es im Interview nicht nur um die positiven Seiten, es geht auch um Probleme in der Partnerschaft und die Ablehnung durch die Gesellschaft.

Simone Harland ist freiberufliche Autorin und Redakteurin, sie hat eine Homepage mit Blog und seit kurzer Zeit eine neue Seite mit dem Titel Geboren in den Sechzigern. Sie ist bei Facebook, Twitter und google aktiv.

Da ich die Seite „Geboren in den Sechzigern“ derzeit nicht erreiche, veröffentliche ich den Inhalt des Interviews hier. Ich habe natürlich die Autorin um Erlaubnis gefragt.

Wenn ich anderen Crossdressern Mut mache, freue ich mich

15. April 2014

Manuela, geschminkt und gestylt © Manuela

Manuela ist in den 1960er Jahren geboren, hat ein eigenes Blog und ist Crossdresser. Ich freue mich sehr, dass sie zu einem Gespräch bereit war, und hoffe, dass das folgende Interview einige Vorurteile zum Thema Crossdressing ausräumen kann.

Manuela, was bedeutet eigentlich Crossdressing? Als ich den Begriff zum ersten Mal las, musste ich nachschauen, aber so richtig schlau bin ich nicht geworden. Denn Crossdressing heißt letztlich doch nichts anderes, als Kleidung des anderen Geschlechts zu tragen. Und demnach wären doch z. B. fast alle Frauen Crossdresser, denn Männerkleidung – Hosen oder Hosenanzüge – ist aus den Kleiderschränken von Frauen nicht mehr wegzudenken.

Da fängst du gleich mit einer sehr schweren Frage an. Im Internet findet man dutzende Erklärungen des Begriffs, aber jede Beschreibung ist anders und offensichtlich geprägt von den persönlichen Erfahrungen der Autoren. Schaut man nur auf das Wort Crossdressing, dann hast du vollkommen recht, dass es bedeutet, Kleidung des anderen Geschlechts zu tragen. Man muss sich die Beweggründe anschauen, um zu verstehen, warum eine Frau in Hosen nicht unbedingt ein Crossdresser ist.

Im Vordergrund steht bei den meisten Crossdressern der Wunsch, in die Rolle des anderen Geschlechts zu schlüpfen, dieser Rollentausch drückt sich im Tragen der Kleidung aus, daher der Begriff. Die Gründe sind vielfältig, bei manchen ist es ein Fetisch, der sich oft auf bestimmte Stoffe wie Seide, Nylon oder Satin konzentriert, bei anderen der pure Spaß an der Verkleidung. Oft steht ein Rollenspiel dahinter, devote Personen schlüpfen in die Rolle eines Dienstmädchens und kleiden sich entsprechend, dominante Personen haben Spaß daran, sich als strenge Dame in Lack und Leder zu kleiden.

Natürlich gibt es auch den Wechsel der Kleidung, weil jemand eine Geschlechtsidentitätsstörung hat, dann spricht man aber wohl eher vom Transgender. Sehr oft hört man, dass Crossdresser beim Tragen der weiblichen Kleidung sexuelle Empfindungen haben. Ich bin kein Experte, aber ich denke mal, die meisten Crossdresser sind Männer, vielleicht findet sich eine wenig bekannte Minderheit von Frauen, die Männerkleidung nicht nur als Modespiel anzieht.

Und was bedeutet Crossdressing für dich persönlich? Du gehst damit ja sehr offen um, hast ein Blog, in dem du u. a. auch Fotos von dir in Kitteln und Kittelschürzen zeigst und mit dem du vielen anderen Crossdressern Mut machst.

Ganz im Vordergrund steht der Spaß. Ich freue mich über die (in meinen Augen) schöne Kleidung, ich freue mich, dass ich zumindest in einem begrenzten Umfeld offen und unverkrampft damit umgehen kann. Wenn es mir gelingt, anderen Crossdressern mit meinen Fotos und Texten Mut zu machen, freut mich das natürlich auch, wenn das wirklich funktioniert, ist es ein Grund weiterzumachen. Wenn ich meine Jeans ausziehe und gegen Rock und Bluse tausche, dann fühle ich mich einfach nur wohl. Manchmal kommt auch eine sexuelle Erregung dazu, das ist aber längst nicht immer der Fall und ist auch nicht mein Antrieb. Ich mache dabei gern Fotos von mir selbst und teile sie über mein Blog, Facebook und Bilderportale.

Eine weitere Komponente ist meine Retro-Leidenschaft, ich mag die 50er bis 70er Jahre, daher auch die Fotos in Kitteln. Ich mag eigentlich sehr viel aus dieser Zeit, Filme, Autos, Eisenbahnen, Alltagsgegenstände und natürlich die Kleidung. Bedeuten tut mir Crossdressing schon sehr viel, wobei ich immer betone, dass es für mich ein Hobby ist. Ich bin gerne Mann und werde es bleiben, aber ich bin auch regelmäßig gern für ein paar Stunden eine Frau mit Nylonstrümpfen und Perücke. Ich stöbere gern mit meiner Partnerin zusammen auf Flohmärkten oder bei eBay, das ist immer witzig, weil viele Händlerinnen sofort angelaufen kommen und mich belehren, dass die Herrenkleidung auf dem anderen Ständer hängt.

Warum, glaubst du, sehen es viele noch immer als Tabu, wenn Männer Frauenkleider tragen oder sich schminken? Letztes Jahr zum Beispiel waren doch auf vielen Modenschauen Röcke für Männer zu sehen, und z. B. für Film, Fernsehen und Zeitschriften werden Männer doch auch geschminkt. Da sollte doch auch das Crossdressing mittlerweile kein Problem mehr darstellen, oder?

Ich denke, das hat mit Kultur und Erziehung zu tun. Wir leben in einer Gesellschaft, die eine recht strikte Geschlechtertrennung vorschreibt. Es gibt immer noch viele typische Frauen- oder Männerberufe, Kindererziehung und Haushalt werden weiterhin meistens der Frau zugeordnet, körperliche Arbeit und Management dem Mann. Das ist ein genauso antiquiertes wie gefestigtes Bild, was sich nur langsam verändert. Abweichungen von der Norm werden grundsätzlich negativ gesehen, nicht nur bezogen auf die Geschlechtertrennung. Wer auf dem Land lebt und seinen Garten anders gestaltet als die Mehrheit, der steht auch ganz schnell auf dem Index. Aber einen der Hauptgründe für das Tabu hast du gleich am Anfang genannt, es ist die weit verbreitete Unwissenheit.

Die Menschen wissen kaum etwas über die Hintergründe, damit wird den Vorurteilen natürlich Tür und Tor geöffnet, z. B. Crossdresser sind schwul, sie sind Tunten und keine richtigen Männer. Ausnahmen sind da nur die professionellen Crossdresser oder Transvestiten. Über Tootsie lacht jeder, und Olivia Jones ist eine richtige Ikone geworden. In einer Travestie-Show klatschen die Leute begeistert, aber im eigenen Umfeld ist es komischerweise anders. Wie gesagt, die Menschen wissen kaum etwas darüber, und was man nicht kennt, ist erst mal suspekt. Ich denke, dass viele Menschen eigentlich überhaupt nicht so viele Probleme mit diesem Thema haben, aber die Angst, dass Familie, Freunde, Kollegen oder Nachbarn schlecht über einen reden, hält sie davon ab, positiv damit umzugehen. Es wird sicher noch eine Weile dauern, bis Crossdressing breit akzeptiert kein Problem mehr ist.

Was ich auch nicht verstehe: Die Medizin stuft Crossdressing als pathologisches, also krankhaftes Verhalten ein – damit werden doch eigentlich Männer stigmatisiert. Denn für Frauen ist das Tragen von männlicher Kleidung doch üblich. Wie siehst du das?

Leider liest man so einen Blödsinn immer noch sehr oft, das hört die Gesellschaft natürlich gern und bestärkt sie in ihren Vorurteilen. Auch den Crossdressern selbst wird damit ein schlechtes Gewissen eingeredet, da sie meistens die Ursache für ihr Verhalten nicht kennen, glauben sie schnell, dass sie krank sind, nur weil sie den Drang verspüren, weibliche Kleidung anzuziehen. Nur weil man die Ursache für ein Verhalten nicht kennt, muss man es ja nicht als krankhaft bezeichnen. Man muss da schon etwas genauer hinschauen.

Die bereits angesprochene Geschlechtsidentitätsstörung gehört natürlich in den medizinischen Bereich, die betroffenen Menschen leiden sehr stark darunter und brauchen oftmals professionelle Hilfe. Auch bei den Fetischisten ist es oftmals so, dass sie sehr zwanghaft handeln und ohne den Fetisch keine natürliche Sexualität erleben können. Aber die vielen Crossdresser, die einfach nur Spaß an der Rolle haben, ihre Kleidung und das Make-up lieben, die sind doch nicht krank. Da kenne ich aber viele andere exzessiv betriebene Beschäftigungen, die man vielleicht besser behandeln lassen sollte.

Wie gesagt, wenn ein Zwang dahinter steht, wenn man über nichts anderes mehr reden kann und sein Hobby als allein glücklich machenden Lebensinhalt sieht, ok. Ich kenne einige Crossdresser, ich denke gerade mal an eine im Internet recht bekannte Person, den erkennt man als Mann absolut nicht wieder, der ist in seinem Beruf erfolgreich und niemand würde auf den ersten Blick erkennen, dass er zwei Kleiderschränke hat.

Crossdresser sind doch auch nicht gleichzusetzen mit Transsexuellen, die im falschen Körper geboren sind. Wenn ich das richtig verstanden habe, sind die meisten Crossdresser heterosexuell und möchten nur hin und wieder ihre weibliche Seite ausleben. Ist das richtig?

Das sehe ich genauso. Es gibt sicherlich fließende Grenzen, z. B. Crossdresser die im Lauf der Zeit spüren, dass ihr Antrieb eigentlich eine Geschlechtsidentitätsstörung ist. Viele werden auch gar nicht wissen, wohin die Reise geht, es ist ja auch nicht einfach, sich da selbst zu analysieren. Bei mir haben sich Dinge auch verändert, Manuela hatte im Februar ihren 5. Geburtstag. Sie ist selbstbewusster geworden, manchmal steht sie sogar vorm Schrank und kann sich nicht entscheiden, was sie anziehen soll. Aber insgesamt bin ich angekommen, strebe nicht nach mehr. Da bin ich sicher ein gutes Beispiel für die vielen Crossdresser, die heterosexuell und mit ihrem Geschlecht und Körper zufrieden sind.

Du lebst in einer Partnerschaft, und deine Partnerin versteht und akzeptiert dein Crossdressing. Würdest du allen Crossdressern empfehlen, in der Partnerschaft oder der Familie offen damit umzugehen?

Die Frage ist wieder nur sehr schwer zu beantworten, ich glaube auch nicht, dass es eine allgemeingültige Antwort gibt. Die meisten Crossdresser, die ich kenne, verheimlichen ihre Leidenschaft gegenüber ihrer Familie, sind damit dann logischerweise sehr unglücklich. Eine Leidenschaft dauerhaft zu unterdrücken oder ständig Angst vor Entdeckung zu haben, ist sicherlich nicht sehr förderlich für das eigene Wohlbefinden.

Es gibt aber auch genügend Beispiele, wo eine Beziehung zerbrochen ist, weil die Partnerin das Crossdressing nicht versteht oder nicht akzeptiert. Hier muss man sich fragen, ob eine Trennung ein zu hoher Preis für das Ausleben einer Leidenschaft ist. Jede Beziehung ist natürlich anders, jeder Crossdresser auch, aber tendenziell würde ich empfehlen, offen damit umzugehen, obwohl ich weiß, dass es nicht überall funktioniert. Es gibt Fälle, wo man auf Unverständnis und totale Ablehnung stoßen würde und eine ansonsten funktionierende Beziehung zerstören würde. Aber man lebt nur einmal, das Leben ist viel zu schade, um auf schöne Dinge zu verzichten, nur weil man Angst vor der Reaktion anderer Menschen hat.

Man kann in einer Partnerschaft auch Regeln vereinbaren, aufeinander Rücksicht nehmen. So wie eine Frau nicht möchte, dass der Mann nur für seinen Fußballverein lebt, so sollte ein Mann nicht nur an Frauenkleidung und Make-up denken. Es ist auch sicherlich ein Unterschied, ob man am Beginn einer Partnerschaft steht oder schon viele Jahre verheiratet ist. Am Anfang ist es sicher gut, wenn man das Thema behutsam anspricht, dann kann man auch noch freier entscheiden, ob man ohne sein Hobby leben kann und will. Aber es gibt auch Menschen, die erst im fortgeschrittenen Alter merken, dass sie eine weibliche Seite haben, und dann ist es eben schwerer, sich zu entscheiden. Eine gute Partnerschaft sollte daran eigentlich nicht kaputtgehen, aber leider sieht man sehr oft, dass die Frau überhaupt nicht damit umgehen kann. Da steckt neben der bereits angesprochenen Unwissenheit sicherlich auch die Angst dahinter, dass der Mann jetzt homosexuell wird oder sich sogar zur biologischen Frau umwandeln will.

Außerhalb von Familie oder engem Freundeskreis würde ich allerdings mehr als vorsichtig sein, die Gefahr, dass man berufliche oder sonstige soziale Probleme bekommt, ist in unserer Gesellschaft sicher nicht zu unterschätzen.

Das Internet müsste Crossdressern doch eigentlich eine große Hilfe sein. Ist das Internet auch für dich Unterstützung? Und triffst du dich hin und wieder mit anderen Crossdressern, oder ist das nicht üblich?

Das Internet ist für alle Menschen ein Segen, besonders wenn sie Interessen haben, bei denen man im nahen Umfeld nicht genügend Gleichgesinnte oder Verständnis findet. Man kann in Foren und Blogs sehr viel über die Gedanken anderer Menschen erfahren und damit auch sich selbst besser verstehen, man kann Kontakte knüpfen und Verständnis erfahren, das man im eigenen Umfeld vielleicht nicht bekommt. In der Schule und im klassischen Brockhaus der 60er Jahre erfährt man über Crossdressing überhaupt nichts, in der Dorfzeitung kann man auch schlecht eine Anzeige aufgeben „Suche Crossdresser für Erfahrungsaustausch“.

Die meisten Kontakte laufen über Foren, Mail oder Messenger, reale Kontakte sind eher selten. Das liegt sicher daran, dass viele Menschen sich nicht trauen, den Schritt aus der Anonymität zu wagen, aber auch daran, dass die meisten Crossdresser ihre Leidenschaft heimlich ausleben und Angst vor Entdeckung haben. Ich kenne vielleicht ein Dutzend Crossdresser persönlich, das ist sicher viel mehr als bei den meisten anderen, das liegt aber sicher auch daran, dass meine Partnerin Manuela kennt und ich deshalb keine Heimlichkeiten haben muss. Ohne das Internet hätte ich keine realen Kontakte, mir hat das Internet ganz sicher geholfen, eine unverkrampfte Beziehung zu meinem Crossdressing zu bekommen. Ich hoffe, dass ich durch meinen Blog und auch mit diesem Interview anderen Menschen helfen kann, das Crossdressing zu einem positiven Teil ihres Lebens zu machen.

Was ich mich auch gefragt habe: Ich finde Kittel aus Nylon oder Dederon eher unangenehm auf der Haut. Du magst Kittel aber anscheinend sehr. Kannst du erklären, was dich an ihnen so fasziniert bzw. was du an ihnen besonders magst?

Genau erklären kann ich das nicht. Ich habe vor vielen Jahren gelesen, dass es zwei Arten von Menschen gibt: Die eine Art mag eher die flauschigen Stoffe, die andere eher die glatten. Ich war schon immer fasziniert von Nylonstoffen, seit ich denken kann. Meine Mutter trug, wie die meisten Frauen in den 60er Jahren, einen Nylonkittel. Den zog sie morgens an und abends aus, in der Woche bunt, sonntags weiß und in der Trauerzeit schwarz. Wenn ich ihr bei der Hausarbeit zugeschaut habe, dann hat mich das Faltenspiel fasziniert, die seidigen Stoffe machen jede Bewegung des Körpers mit. Nylon oder Seide anzufassen finde ich einfach nur schön, den Grund kann ich nicht beschreiben. Mir kann ja auch niemand erklären, warum er den ganzen Tag mit einer Angel an einem Fluss sitzt und auf Fische wartet.

In den 60er Jahren war der Nylonkittel nichts Besonderes, Hausfrauen, Friseurinnen, Verkäuferinnen, Fabrikarbeiterinnen, die Mehrheit der Frauen hatte einen Nylon- oder Dederonkittel an. Damals waren es praktische Gesichtspunkte, pflegeleicht und robust, die gute teure Kleidung wurde geschützt. Obwohl wir alle in derselben Zeit aufgewachsen sind, haben die meisten Menschen keine besondere Beziehung zum (Nylon-)Kittel entwickelt, die meisten haben eher eine Abneigung. Für eine Minderheit ist er aber zum Kultobjekt geworden. In unserer Partnerschaft ist das ganz witzig, meine Frau kocht und backt sehr gern und auch sehr gut, sie kümmert sich um die Wäsche und den Garten. Ich bügele die Wäsche, räume die Küche auf und halte die Badezimmer sauber. Diese Arbeiten mache ich als Manuela im Nylonkittel, sicherlich für die meisten Menschen ein recht gewöhnungsbedürftiger Anblick. Irgendwas muss sich da in meiner Kindheit festgesetzt haben, so wie bei dir die Abneigung zu Nylon auf der Haut.

Es gibt durchaus viele Menschen, die diese Leidenschaft teilen, allein die Eingabe von „Nylonkittel“ als Suchbegriff bei eBay zeigt, wie groß der Markt mittlerweile ist. Von vielen Gleichgesinnten weiß ich, dass sie den Nylonkittel mit einer strengen Frau in Verbindung bringen. Die strenge Mutter oder Tante, die im Nylonkittel Ohrfeigen oder Schläge mit dem Kochlöffel austeilt. Was ich unabhängig vom Crossdressing am Nylonkittel mag, ist der praktische Aspekt. Bei der Küchenarbeit und beim Essen schützt er vor der Tomatensauce, hinterher kurz durchs Seifenwasser ziehen, und er ist wieder sauber.

Du veröffentlichst auf deinem Blog auch eigene Geschichten. Wie bist du zum Geschichtenschreiben gekommen?

Das fing vor ein paar Jahren an. Ich habe alle möglichen Gedanken und Phantasien, und irgendwann habe ich gemerkt, dass es mir Spaß macht, diese Gedanken aufzuschreiben. Ich mag Geschichtenschreiben, weil man dort Dinge erleben kann, die real nicht oder nicht mehr möglich sind. Manchmal verarbeite ich auch negative Gedanken in meinen Geschichten, z. B. in „Mein erstes Opfer“, da rächt sich ein dominanter Crossdresser an einem Mann, der glaubt, dass alle Crossdresser Freiwild für notgeile Männer sind. Damit kann ich zwar die Dinge nicht wirklich ändern, aber ich fühle mich anschließend besser, wenn der Mann in der Geschichte einen schmerzhaften Denkzettel bekommt.

Mit WordPress ist es ja auch sehr leicht, sich eine Seite aufzubauen und andere teilhaben zu lassen. Das Internet lebt ja davon, dass Menschen Dinge teilen, außerdem freut man sich über Kommentare, Likes oder Besucher. Außerdem ist es für mich ein schöner Ausgleich, ich habe einen technischen Beruf, arbeite den ganzen Tag mit komplexen logischen Zusammenhängen, da ist es schön, wenn man mal was ganz anderes macht oder sich zumindest in Gedanken in eine ganz andere Welt begibt.

Möchtest du abschließend vielleicht noch etwas sagen, wonach ich dich bisher nicht gefragt habe?

Deine Fragen gehen recht gut in die Breite und decken die meisten Aspekte ab. Es gibt sicher noch tausend Dinge über die man reden kann, dafür habe ich ja meinen Blog, wo ich regelmäßig meine Gedanken aufschreibe. Ich finde es sehr schön, dass du dieses Thema aufgegriffen hast, es ist ein guter Schritt, um das Crossdressing bekannter und akzeptierter zu machen. Ein Kernpunkt in deinen Fragen ist: „Wo ist eigentlich das Problem?“ Das Problem geht nicht vom Crossdressing aus, sondern von vielen Menschen, die eine völlig harmlose Leidenschaft durch Unwissenheit in eine Ecke drängen, in die sie nicht gehört. Ich hoffe, dass unser Interview dazu beiträgt, dass der eine oder andere Crossdresser etwas mutiger und damit auch zufriedener wird, und dass einige Menschen sich etwas offener mit dem Thema beschäftigen.

Liebe Manuela, vielen Dank für dieses spannende, aufschlussreiche und hoffentlich Mut machende Gespräch.